Donnerstag, 26. August 2010

DIE WELT IST EIN TENNISBALL

Ich hatte heute einen wahnsinnigen Spaß mit drei Freunden. Ich bin durch die Gegend meiner Kindheit gestapft und habe nach einer guten Stunde Kampf es endlich geschafft, die Strohballen zu erklimmen.
Allerdings soll sich dieser Blogeintrag nicht primär um diesen wunderbaren Teil meines Tages drehen, sondern um ein schönes Gespräch, das ich mit zwei... Bekannten geführt habe. Maya und Janina, vor einem Monat sechs Jahre alt geworden. Ich will schon mal vorrausschicken: Kinder sind so schlau!
Für die beiden war es schon recht spät an diesem Abend, ungefähr neun Uhr, vielleicht auch halb zehn. Jedenfalls kam Janina nach endlosen Brettspielpartien, Bücherlesen und fröhlich-auf-Jule-Rumturnen auf die Idee, wir könnten ja Schule spielen! Ich konnte nicht sofort auf diesen (genialen) Einfall antworten, weil ich der Mutter und der Tante der beiden Mädchen gerade von meiner Parisreise erzählte.
Als ich vom Foucaultschen Pendel im Panthéon sprach, mit dem der Herr Foucault irgendwann im neunzehnten Jahrhundert nachwies, dass die Erde sich dreht.
"WAS? Aber warum fallen wir denn dann nicht runter?" Süß. Wirklich süß, diese Janina. :) Maya, die damit beschäftigt war, mit einem Tennisball um sich zu werfen, brachte mich auf eine Idee.
"Komm, ich erklär dir das. Bring mir mal den Tennisball und ein Bauklötzchen, bitte."
Und so begann die lustige Jule-erklärt-die-Welt-Sitzung. Janina auf meinem Schoß, in ihrer Hand ein gelber Holzklotz. "Das ist die Sonne. Und ich... ich habe hier die Erde in der Hand. Die Erde ist der Tennisball."
Wie das funktioniert mit der Erdrotation und der Gravitation und dem Magnetfeld der Erde und so weiter, das wisst ihr ja (hoffentlich). Also erspare ich euch das jetzt. Aber ich hatte wirklich Spaß daran, dass alles mit diesem Tennisball zu erklären und auch Janina schien es sehr interessiert zu haben.
Und der Tennisball half uns noch in mehr Punkten weiter.
"So, und jetzt bist du Frau Lehrerin. Wir spielen Schule."
Ohmann. Bis die Beiden sich auf einen Namen für mich geeinigt hatten, hatten sie ihre Vorschläge schon wieder vergessen. Frau Klara, Frau Klari, Frau Tennisball, Frau Tennis, Frau Tenn, Frau Tenni und schließlich - dabei blieb es dann auch: Jule.
Wir führten ein relativ langes Gespräch über Tennisbälle und dadurch irgendwie über das Leben. Maya konnte sich nicht recht konzentrieren (machte sich zum Beispiel Sorgen um ihren Holzhund und dachte darüber nach, ob die Feuerwehr schnell genug da wäre, wenn das Schulhaus abbrennen würde), aber Janina und ich kamen auf so manch lehrreiche Antwort. Natürlich war alles sehr sehr kindlich und vereinfacht dargestellt, aber dennoch.
"Ein Tennisball, welche Form hat denn der?"
- "Rund!"
"Ja, und was ist noch rund?"
- "Äh... der Deckel von der Flasche da hinten! Und die Rollen von Mayas Hund! Und mein Kopf."
"Kann man mit deinem Kopf Tennis spielen?"
- "Dann müsste man ihn abschneiden!"
"Ja, das stimmt. Aber dann könnte man doch Tennisspielen, oder?"
- "Ich brauch mein Kopf aber, weil der meine Augen hält! Die sind auch rund. Aber die sind zum gucken, nich zum Tennisspielen, Jule!"
"Da hast du Recht. Und der Deckel der Flasche?"
- "Den braucht man, damit keine Bakterien ins Trinken kommen. Und dass es net verschüttet, wenn die Flasche umkippt. Und die Blumen braucht man für den Honig. Und den Baum für Luft zum Atmen für uns."
"Warum spielt man mit einem Hund nicht Tennis, Janina?"
- "Weil er sich dann verletzen könnte und man seine Gefühle verletzt."
"Jeder hat seine Aufgabe und jeder kann etwas gut."
- "Ich kann puzzlen!"
"Was kannst du denn gut, Maya?"
(endich hatte ich auch ihre Aufmerksamkeit): "Malen! Ich bin ein Künschtler!"
Wir haben mithilfe eines simplen Tennisballs über physikalische Gesetze, über philosophische Fragen (ein Stück weit sogar über den Sinn des Seins), über ethische Grundsätze und über die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft geredet. Und das mit einer Sechsjährigen! Ich war ehrlich beeindruckt.
Und was das schönste war: Janina ist eben wirklich noch ein Kind und sieht die Welt in einer naiven Einfachheit. Auf die Frage von Maya, warum ein Tennisball denn diese weiße, geschwungene Linie habe, meinte Janina lächelnd und als sei es das Selbstverständlichste der Welt: "Weil es mit Muster schöner aussieht."

D I E   W E L T   G E H Ö R T   I N   K I N D E R H Ä N D E !